Täuscher
fürchten nichts wie die Ent-Täuschung 25.11.2013
Resignative Klagen über einen bejammernswerten Zustand
des Protestes gegen S21 nehmen eher zu als ab. Trotzdem wurden über 10 von mir
im Laufe des Jahres ins Netz gestellte Diskussionsbeiträge zu einer
alternativen politischen Strategie und Taktik des Protestes vom Aktionsbündnis
oder den Parkschützern nie beantwortet. (http://vowinckel.blogspot.de) Ich will
deswegen hier ein paar offene Worte „verlieren“.
Der Protest gegen S21 steht unübersehbar auf dem Schlauch. Ein „weiter so!“ reicht da
nicht aus. In einem rechtsfreien Raum wie bei öffentlichen Großprojekten hilft kein Beschreiten des Rechtswegs. Und bei
einem Quorum von 25 Prozent aller Wahlberechtigten versprechen m. E. auch
nochmalige Bürgerbegehren keine Erfolgschance. Darauf aber beschränkt sich im Wesentlichen
das Aktionsbündnis. Und das, obwohl klar ist, dass S21 ein politisches Projekt
ist und nicht ein technisches oder wirtschaftliches.
Die Protestbewegung hat keine eigene politische Strategie entwickelt. Die allermeisten von
uns wissen noch nicht einmal, was das ist: eine Strategie und eine Taktik. Das wurde
bei uns nie diskutiert, weil es seit der Volksabstimmung vor zwei Jahren für
die Bestimmer des Protestes vermeintlich nur alternativlose Wege (= Taktiken)
gab.
Als die uns von der grün-rosa Regierung aufs Auge
gedrückte betrügerische Volksabstimmung anstand, war unsere Teilnahme angeblich
„alternativlos“ und jeder Gedanke an einen von Aufklärung begleiteten Boykott über
den Charakter der Veranstaltung war für sie von vornherein „spalterisch“. Zugelassen war nur Vertrauen
in den Rechtsweg und in Kretschmann als unseren vermeintlichen Retter und
Erlöser, der es vermeintlich besser wusste als wir. Dass die Volksabstimmung
ein Betrug war und wir uns an diesem Betrug dann auch noch beteiligt haben,
davon wollten die Verantwortlichen später, als auch sie den Betrug der
Regierung zugeben mussten, nichts
wissen. Schon das hat uns damals viele Mitstreiter gerade unter den Aktiven
gekostet! Und komme mir bitte niemand mehr mit dem dummdreisten Denkverbot, das
sei doch Schnee von gestern. Zur Erklärung:
Eine Strategie bestimmt das Ziel eines Kampfes, sie bestimmt gewissermaßen
das Licht am Ende des Tunnels, an das man gelangen will, also z. B. Freiheit. Ohne
klare Zielbestimmung gibt es auch keine erfolgreiche Taktik. Eine Taktik
bestimmt dann flexibel die Schritte,
die unternommen werden sollten, um an das Ziel zu gelangen.
Das, was von der großen Protestbewegung übrig
geblieben ist, steht m. E. vor einer strategischen
Entscheidung:
Ist unser nächstes Ziel die Stärkung und
Erholung der Grünen oder der Stopp von S21?
Matthias von Herrmann, Pressesprecher der Parkschützer
und inzwischen wohl auch schon halb des Aktionsbündnisses, sagte auf der 192. Montagsdemo, es gehe uns
vor den im nächsten Jahr anstehenden Gemeinderatswahlen darum, ein nochmaliges
„Wahldebakel“ der Grünen wie bei der Bundestagswahl zu verhindern. Ich meine
jedoch, das steht in klarem Widerspruch zu dem Ziel bzw. der Aufgabe, S21 zu
stoppen. Die Grünen sind Befürworterpartei. Solange sie sich in den Klauen der
SPD befinden, ist von ihnen kein „Todesstoß“ gegen S21 zu erwarten. Und die SPD
will nun einmal noch immer S21.
Genau das soll aber bei uns offensichtlich nicht
diskutiert werden, um die Wahlchancen der Grünen nicht noch einmal zu mindern.
Deswegen darf ich auch auf keiner Montagsdemo reden. Für mich herrscht da und
nicht nur da Zensur. Auf eine andere
Erklärung warte ich gespannt.
Warum das so ist, wird an meinen Vorstellungen von
einer aus der strategischen Entscheidung abgeleiteten geeigneten Taktik
verständlicher werden. Es war und ist weiter richtig und wichtig, all die
sachlichen und fachlichen Mängel des
Projekts S21 und die Betrügereien der Bahn aufzudecken. Es war jedoch noch nie
richtig, die politischen Betrügereien der Parteien im Landtag dafür derart zu
ignorieren und die Täuschungstäter derart zu schonen, wie das bisher der Fall
war.
Ich stelle die Frage hier nicht zum ersten Mal: Wer
ist im Kampf um K21 unser Hauptgegner, die Bahn, Berlin, die CDU, die SPD oder
die Grünen? Als Antwort bekomme ich entweder „die Bahn“ oder „die Grünen“. Das
sind jedoch für mich schwerwiegende
Irrtümer. S21 ist kein technisches und auch kein rein wirtschaftliches, sondern
ein politisch gewolltes Projekt. Also entscheidet die Politik. Die Grünen aber
sind allenfalls unser gefühlter, nicht aber unser realer politischer
Hauptgegner, ganz einfach deswegen, weil die Grünen in Sachen S21 gar nicht
selbständig handeln können, seitdem sie sich in die Hände der SPD begeben
haben.
Für die Bahn und damit auch den Bund ist das Projekt offensichtlich dank der
Geschenke von Land und Stadt bis zu einem „Gesamtwert“ von ca. 6 Mrd. Euro
„durchfinanziert“. Der Bund muss also bislang nicht draufzahlen, und wird auch
nicht mehr zahlen. Und ich füge hinzu, schon der Finanzierungsvertrag des
Jahres 2009 sieht ausdrücklich (§
2,2) keine Kostenrisiken für die Bahn vor.
Die CDU hat sich bisher durch Duldung hinter den juristisch
völlig unverbindlichen Kostendeckel gestellt, um den Protest von der Straße zu
holen, und versteckt sich hinter der
SPD. Die Grünen würden das Projekt S21 gern begraben, machen jedoch, wozu die
SPD als Koalitionspartner sie zwingt. Daher
ist die SPD unser politischer Hauptgegner. Der von ihr mitgetragene
Kostendeckel als „Hoffnungsträger“ verbirgt ein Stück weit die Tatsache, dass
die Regierung in Wahrheit das Projekt und damit die Linie weiterer Verschuldung
verfolgt.
Das bedeutet taktisch gesehen, die SPD stützt sich politisch auf zwei
historische politische Betrugswerke. Das erste ist der durch und durch
betrügerische Finanzierungsvertrag, mit dem der Bahn vom Land und der Stadt
(vor allem CDU und SPD) de facto ein Blankoscheck für Mehrkosten in unbegrenzter Höhe ausgestellt wurde.
Aber nur de facto, nicht jedoch auch de jure, also nach Recht und Gesetz. Der
Grund des Betruges durch CDU, FDP und
SPD im Jahr 2009 war: Die Bürger sollten in Unkenntnis des Blankoschecks
gelassen werden. Und nun fürchten die Täuscher die Ent-Täuschung. Die „Ent-Täuschung“
über den Finanzierungsvertrag ist unsere
allererste taktische Aufgabe.
Zu diesem im Grunde illegalen Vertrag kommt der zweite mit der
Volksabstimmung verbundene Betrug ihrer verfassungswidrigen öffentlichen
Auslegung. Sie lautet, die VA binde und verpflichte Land und Partner nach Recht
und Gesetz zur Ausführung von S21. Das stellt nicht nur eine Lüge, sondern
sogar Beugung der Verfassung dar.
An diesen beiden wunden Punkten der SPD (Die Grünen
sind nur im zweiten Punkt (VA) mit im Schneider.) sollten wir taktisch kreativ ansetzen.
Die SPD soll sagen, wie sie den von ihr mitformulierten und hochgehaltenen
Finanzierungsvertrag finanzieren und auch noch rechtfertigen und dabei den
Kostendeckel halten will. Beides geht nicht. Nur so haben wir meines Erachtens
auch die Chance, dass die SPD die Grünen aus ihren Klauen lassen muss. Und dann
könnte auch wieder jeder ohne K21-Skrupel die Grünen wählen.
Diese beiden historischen politischen Betrügereien
wurden allerdings bis heute von den vor allem grünen Führern des Protestes
regelrecht unterschlagen, wohl weil der Täuscher und der Mittäter die
Enttäuschung zunächst einmal zu fürchten haben, auch wenn es sich dann ohne
derartige moralische Klötze am Bein leichter gehen lässt. Oder gibt es eine andere Erklärung?
Zum Abschluss will ich noch mit einigen ganz aktuellen
Zitaten aus einem Mailaustausch im Internetverteiler der Parkschützer das Klima
in der Bewegung illustrieren:
Es geht um Presseberichte über den Abbruch der Bauarbeiten am
Wagenburgtunnel und die Tatsache, dass wir erst aus der Presse davon erfahren: „Die meisten emsigen Informanten, die immer
überall fleissig vor Ort waren, hat man wohl fast alle vergrault … Daran haben gewisse Teile der Bewegung
absolut keine Schuld“. Der Nachsatz dürfte wohl ironisch gemeint sein. Leider wird nicht mutig auch gesagt,
welche „Teile der Bewegung“ der Verfasser für den vermeintlichen Mangel verantwortlich
macht. Ich vermute, er meint z. B. die
Veranstalter der Montagsdemos.
Denn im Kommentar darauf heißt es: „Nun,
da es nicht mehr zu leugnen ist, dass gebaut wird (ja, es wird gebaut) entpuppt
sich das von der Montagsdemobühne
geäußerte als nicht so ganz zielführend.“ Auch hier nur eine verschwurbelte, weil
ängstliche Formulierung von Kritik. So äußern sich Menschen in einem Klima der Angst, die eigene
Meinung frei zu äußern, warum auch
immer. Ja, warum eigentlich? Sind wir
nicht freie Menschen?