Sonntag, 7. Juli 2013

Erwiderung an Eisenhart



Reinhart.Vowinckel@web.de              http://vowinckel.blogspot.de                07.07.2013

Lieber Eisenhart  von Loeper,

ich möchte mich für Deine schnelle Reaktion auf mein Statement Nr. 10 zur Lage und Taktik, mit der ich keineswegs gerechnet hatte und rechnen konnte, herzlich bedanken. Endlich mal einer, der sich rührt. Auch was ich erhofft hatte, dass sich wenigstens der eine oder die andere für Dich rührt, ist ausgeblieben. ??? - Das „Sie“ in Deiner Mail an mich ist mir zu distanziert! Ich hoffe, Du bist mit dem Du einverstanden. Ich komme auch gleich zur Sache.
Hat es überhaupt jemand in der Bewegung bemerkt? Kretschmann hat dem Vizeaufsichtsratsvorsitzenden der Bahn Kirchner am Tag vor der Sitzung des AR am 05. März,  jenseits aller Koalitionsdisziplin „konstruktive Gespräche“  über „Alternativen zu Stuttgart 21“ angeboten!!! Ich erinnere mich jedoch nicht, irgendetwas von einer positiven Reaktion darauf aus unserer Bewegung gelesen zu haben. Die Information selbst habe ich aus der Süddeutschen Zeitung. Hast Du den Vorgang registriert? Und wenn ja, konntest Du  etwas mit ihm anfangen?
Der Fraktionsvorsitzende der SPD konnte es. Aufgebracht drohte er Kretschmann noch am gleichen Tage öffentlich den Koalitionswechsel zur CDU und mit deren Hilfe eine Klage gegen die Bahn auf Vertragserfüllung an. Schon ein starkes Stück! Das heißt u. a., Grüne und Bahn sind sich in der Frage pro oder contra S21 hinter den Kulissen längst näher als Grüne und SPD, und die SPD ist nicht mehr nur unser, sondern  auch der Quälgeist  der Bahn.
Das zeigte sich dann ein paar Wochen später erneut bei dem politisch einfach absurden Versuch der SPD, der Bahn die Sprechklausel des Finanzierungsvertrags für laut SZ vom 17. April 2013 sage und schreibe ganze 70 Mio. €,  abzukaufen, eine Klausel, aus der die Bahn zumindest nach dem Willen des Aufsichtsrats angeblich noch Milliarden Euro herausschlagen will und die Kretschmann als „Damoklesschwert“ über den Häuptern der Koalition bezeichnet! Wolltest Du nun mit Deiner Forderung an die Landesregierung vielleicht speziell Winfried Kretschmann von seinem Trauma des vermeintlichen und angeblichen Damoklesschwerts erlösen? Das wäre wenigstens nicht das gerade modische Grünenbashing. Jedoch könnte es nicht auch sein, dass Kretschmann die Sprechklausel Damoklesschwert tauft, damit aber eigentlich die Risikoklausel meint, die Du bei Deiner Forderung nicht im Auge hast?
Natürlich bekam die SPD bzw. die Regierung eine Abfuhr. Seitdem bezichtigt Schmiedel immerhin nicht mehr nur die Grünen, sondern auch die Bahn  der „Fundamentalopposition", auch das ein Zeichen.
Ihr Ende fand die Geschichte in der Erklärung Kretschmanns „Der Grundsatzstreit zu Stuttgart 21 ist beendet.“ (SZ am 17.04.2013), und natürlich bekam der für den erneuten „Verrat“ wieder kräftig Dresche von enttäuschten ehemaligen Anhängern.
Wo aber blieb hier der überfällige nachhaltige propagandistische Angriff der Bewegung  auf die SPD? Sie versteckt sich hinter der Berufung auf einen betrügerischen Vertrag, und dass der die Risikoklausel pro Bahn enthält, ist ihr größtes Problem. Dass das publik wird, sucht die SPD dabei natürlich zu vermeiden. Statt den Grünen den Rücken zu stärken mit einer von ihnen unabhängigen Aufklärungskampagne gegen und über den Betrug mit dem Projekt und mit dem Finanzierungsvertrag, kommen Appelle an die Regierung, den Finanzierungsvertrag zu manipulieren, also im Lügenssumpf zu rudern! Leute, wir haben keine grüne Landesregierung! Wir haben eine sozialdemokratische! Die Grünen tragen in der Regierung Handschellen. Wir aber haben die Hände frei.   Überleg doch auch einmal, lieber Eisenhart, ob nicht Kretschmanns resignative Feststellung  „Der Grundsatzstreit zu Stuttgart 21 ist beendet.“ auch dem Ausbleiben propagandistischer Unterstützung durch unsere Bewegung bei seinem öffentlichen Streit mit Schmiedel geschuldet ist.

Liebe Grüße!               Reinhart

Erwiderung von Eisenhart v.L.



 Erhalten von Eisenhart v.L. über Sylvia Heimsch:

Lieber Reinhart Vowinkel,

mir ist nicht vertraut, wer Sie sind. Daher verwende ich die gewählte Anrede. Aber schon Ihr erster Satz in Ihrem langen Schreiben vom 30.06.13, die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 habe offensichtlich ihr Ziel aus dem Auge verloren, ist eine Mutmaßung, die generell bei Kenntnis ihrer zahlreichen TrägerInnen und ihrer nachhaltigen Einsätze unangemessen, unhaltbar und auch bei dem von Ihnen aufgegriffenen Zündstoff der sog. negativen Feststellungsklage gänzlich ungerechtfertigt ist.

Im Zitat meiner von Ihnen angegriffenen Aussagen heben Sie meine Einschätzung hervor, "denn nach wie vor verweigert die Bahn die volle Übernahme der Milliarden, die den Kostendeckel überschreiten". Und Sie stellen dem entgegen "als wenn die Bahn das müsste".

Das habe ich aber nie behauptet. Im Gegenteil beziehe ich mich auf das Ihnen offenbar unbekannte Gutachten der Juristen zu  S 21 "Das Rätsel der Sprechklausel" von Ende Januar 13. Dort ist fundiert nachlesbar, dass nach dem massiv um etwa 50 Prozent gesprengten Kostendeckel die Vertragsbasis entfallen ist und niemand beim Weiterbau ohne Rechtsgrundlage von der Bahn die Vollendung von S 21 verlangen kann.Das bedingt das Horrorszenario der Erpressbarkeit des Landes durch die Bahn, wenn die Klärung der Zahlungspflichten jetzt unterlassen wird.  Es wäre hilfreich, das Gutachten - federführend RA Bernhard Ludwig - genau zu lesen.

Jetzt auf volles Risiko draufloszubauen statt auf verbindlicher Klärung der Gesamtfinanzierung zu bestehen, halte ich für verantwortungslos - genauso verantwortungslos wie das Offenlassen zahlreicher anderer Fragen, z.B. des Brandschutzes, der Leistungsfähigkeit, der verantwortbaren Gleisneigung , des Grundwasserschutzes und vieles mehr.

Aus dem Feststellungsbegehren abzuleiten, wir wollten Financiers für S 21 finden, verdunkelt das Vorhaben grundlos, denn es soll gerade festgestellt werden, dass das Land keine weiteren Zuschüsse zu zahlen hat.
In Einem gebe ich Ihnen gerne recht: Man muss nicht S 21-Gegner sein, um das Vorhaben der gerichtlichen Klärung zu unterstützen. Dennoch ist es die Stärke unserer Bewegung, das Interesse der Allgemeinheit zu fördern, zumal dies unser Ansehen stärkt und uns zu Recht Gehör verschafft. Genau  Gleiches gilt beim Thema Brandschutz und anderen Streitfragen. Ich behaupte, dass es deshalb keinesfalls - wie Sie unterstellen - falsch ist, für die unbedingte einwandfreie Klärung zu sorgen. Im Gegenteil : Wir gewinnen dann sehr wahrscheinlich eine breitere Basis für die richtigen Konsequenzen. Wer strategisch denkt, muss sich auch mit allem Einsatz den notwendigen Teilfragen widmen, die unsere Ausgangsbasis verbessern können.

Für die düstere Einschätzung der Justiz habe ich Verständnis. Wer aber nicht mehr um das richtige Recht kämpft, hat schon verloren. Und wir haben hier überzeugende Gründe, mit denen wir Boden gewinnen können  - im Einklang sogar mit der Landesregierung, keinesfalls in irgendeines Schlepptau:
Die Bahn muss ohnehin die Bundesaufgabe finanzieren. Die Zusatzfinanzierung des Landes nach dem FinVe ist ein - verfassungsrechtlich angreifbarer - Ausnahmefall genau bemessener Beträge, aus denen natürlich nur bei Umkehrung aller Verhältnisse qua Sprechklausel die Pflicht zu weiteren Geschenken abgeleitet werden könnte. Wenn Sie das dennoch als "naheliegend" bezeichnen, sind Sie juristisch nicht informiert.

Wir sind uns ja in den Grundlinien zu S 21 einig. Mit vorstehenden Ausführungen begrenze ich mich daher bewusst auf einige Aspekte, bei denen ich die genannten Hinweise für geboten halte.

Freundliche Grüße und Oben Bleiben

Eisenhart