Hans Filbinger war wie sein
Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten Kurt Georg Kiesinger in der Zeit des
Nationalsozialismus Mitglied der NSDAP und hatte als Rechtsstudent
in einer Studentenzeitung 1935 die Nürnberger Rassegesetze
enthusiastisch gefeiert, weil sie ihrer Bestimmung nach statt der
Freiheitsrechte des Einzelnen die „Volksgemeinschaft“ durch einen „starken
Staat“ schützten. Ihr Geist werde jedoch nur durch „lebendige
Richterpersönlichkeiten“ in das Volk hineingetragen, meinte er. Er wurde Marinerichter, auch um den
Frontkampf zu vermeiden.
Von 1966 bis 1978 war er
CDU-Ministerpräsident im Ländle, bis im Jahr 1978 bekannt wurde, dass er in den
Kriegsjahren als Marinerichter an mehreren Todesurteilen wegen „Fahnenflucht“
oder „Kriegsverrat“ beteiligt gewesen war, damals die einzige Möglichkeit der
„Wehrdienstverweigerung“. Ein solches Urteil fand sogar erst nach Kriegsende
statt.
An die Todesurteile, an
denen er beteiligt war, erinnerte sich Filbinger jedoch angeblich nicht, bis
beweiskräftige Dokumente ihn überführten. Er aber sah sich sogar als Anhänger des Widerstands, der im
übrigen doch nur die gültigen Gesetze ausgeführt habe. Deswegen attestierte
Erhard Eppler (SPD), damals Oppositionsführer im Landtag, dem
Ministerpräsidenten ein „pathologisch gutes Gewissen“, und Theo Sommer,
Redakteur der „Zeit“, ergänzte ein „pathologisch schlechtes Gedächtnis“. Gutes
Zureden auch von Parteifreunden, doch wenigstens Mitgefühl mit den
Hinterbliebenen zu zeigen, habt nichts gefruchtet. In seinem elitären
Selbstbewusstsein und Sendungsbewusstsein nahm er die Sensibilisierung
gegenüber Gegnern und Feinden nicht wahr, die seit dem Zusammenbruch 1945 in
der Gesellschaft der Bundesrepublik stattgefunden hatte. Er sah sich bis zu
seinem Tod im Jahr 2007 als politisch
„zu unrecht Verfolgter“. Ein Jahr nach seinem Rücktritt wurde er zum
Ehrenvorsitzenden der Landes-CDU ernannt, die ihn so sah wie er sich selbst.
Damals ging es letztlich
um die Frage, ob „Fahnenflucht“ oder „Kriegsverrat“ in jener Zeit des Raub- und
Rachekrieges als eine Form des „zivilen Ungehorsams“ oder des Widerstands gegen
ein klar als solches erkanntes Unrechtsregime nicht auch ehrenhaft war,
ehrenhaft wie der einer Sophie Scholl oder eines Grafen Stauffenberg. Oder auch
der Widerstand der vielen ermordeten anonymen Arbeiter, die Sabotage geleistet
haben. Oder, noch vermessener gedacht, genauso ehrenhaft oder gar ehrenhafter als „Manneszucht“ und „Heldentod fürs
Vaterland“.
Tatsächlich hat der
Bundesgerichtshof erst im Jahr 1995
festgestellt, viele der damaligen Richter, die in der Bundesrepublik weiter
amtiert haben, hätten eigentlich „wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit
Kapitalverbrechen“ strafrechtlich verfolgt werden müssen. Etwas, das
Oberstaatsanwalt Häußler in Sachen Massentötungen von Frauen und Kindern durch
deutsche Soldaten in Sant’ Anna die Stazzema in Italien trotzdem immer noch
verweigern kann und, wie er meint, nach deutschem Recht muss.
Deswegen wurden wenigstens
im Jahr 2002 durch ein Bundesgesetz alle
sogenannten Deserteure rehabilitiert und deren Hinterbliebene durch Anspruch
auf eine Rente entschädigt. Und im Jahre
2009 hob der Bundestag einstimmig
auch alle wegen sogenannten „Kriegsverrats“ gefällten NS-Urteile auf. 64 Jahre also hat der Prozess einer historischen
Selbstbesinnung und neuen, zukunftsfähigen Bewusstseinsbildung mit happy end
gedauert. Doch nicht zu sicher sein! Noch 2007 hat Ministerpräsident Oettinger
in seiner Trauerrede zu Oettingers Tod Filbinger als „Gegner des
Nationalsozialismus“ verherrlicht, woraufhin er von der Bundeskanzlerin dann
doch lieber nach Brüssel abgeschoben und so aus dem Verkehr gezogen wurde,
freilich nachdem er vorher noch den Finanzierungsvertrag zu S21 und als
Nachfolger Mappus geboren hatte. Also: Um mit Brecht zu sprechen, bei allem
fortschritt: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ (hier berichtet nach Wikipedia)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen