Montag, 4. März 2013

Hans Filbinger


Hans Filbinger war wie sein Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten Kurt Georg Kiesinger in der Zeit des Nationalsozialismus Mitglied der NSDAP und hatte als  Rechtsstudent  in einer Studentenzeitung 1935 die Nürnberger Rassegesetze enthusiastisch gefeiert, weil sie ihrer Bestimmung nach statt der Freiheitsrechte des Einzelnen die „Volksgemeinschaft“ durch einen „starken Staat“ schützten. Ihr Geist werde jedoch nur durch „lebendige Richterpersönlichkeiten“ in das Volk hineingetragen, meinte er.  Er wurde Marinerichter, auch um den Frontkampf zu vermeiden.
Von 1966 bis 1978 war er CDU-Ministerpräsident im Ländle, bis im Jahr 1978 bekannt wurde, dass er in den Kriegsjahren als Marinerichter an mehreren Todesurteilen wegen „Fahnenflucht“ oder „Kriegsverrat“ beteiligt gewesen war, damals die einzige Möglichkeit der „Wehrdienstverweigerung“. Ein solches Urteil fand sogar erst nach Kriegsende statt.
An die Todesurteile, an denen er beteiligt war, erinnerte sich Filbinger jedoch angeblich nicht, bis beweiskräftige Dokumente ihn überführten. Er aber sah sich  sogar als Anhänger des Widerstands, der im übrigen doch nur die gültigen Gesetze ausgeführt habe. Deswegen attestierte Erhard Eppler (SPD), damals Oppositionsführer im Landtag, dem Ministerpräsidenten ein „pathologisch gutes Gewissen“, und Theo Sommer, Redakteur der „Zeit“, ergänzte ein „pathologisch schlechtes Gedächtnis“. Gutes Zureden auch von Parteifreunden, doch wenigstens Mitgefühl mit den Hinterbliebenen zu zeigen, habt nichts gefruchtet. In seinem elitären Selbstbewusstsein und Sendungsbewusstsein nahm er die Sensibilisierung gegenüber Gegnern und Feinden nicht wahr, die seit dem Zusammenbruch 1945 in der Gesellschaft der Bundesrepublik stattgefunden hatte. Er sah sich bis zu seinem Tod im Jahr 2007  als politisch „zu unrecht Verfolgter“. Ein Jahr nach seinem Rücktritt wurde er zum Ehrenvorsitzenden der Landes-CDU ernannt, die ihn so sah wie er sich selbst.
Damals ging es letztlich um die Frage, ob „Fahnenflucht“ oder „Kriegsverrat“ in jener Zeit des Raub- und Rachekrieges als eine Form des „zivilen Ungehorsams“ oder des Widerstands gegen ein klar als solches erkanntes Unrechtsregime nicht auch ehrenhaft war, ehrenhaft wie der einer Sophie Scholl oder eines Grafen Stauffenberg. Oder auch der Widerstand der vielen ermordeten anonymen Arbeiter, die Sabotage geleistet haben. Oder, noch vermessener gedacht, genauso ehrenhaft  oder gar ehrenhafter  als „Manneszucht“ und „Heldentod fürs Vaterland“.
Tatsächlich hat der Bundesgerichtshof  erst im Jahr 1995 festgestellt, viele der damaligen Richter, die in der Bundesrepublik weiter amtiert haben, hätten eigentlich „wegen  Rechtsbeugung in Tateinheit mit Kapitalverbrechen“ strafrechtlich verfolgt werden müssen. Etwas, das Oberstaatsanwalt Häußler in Sachen Massentötungen von Frauen und Kindern durch deutsche Soldaten in Sant’ Anna die Stazzema in Italien trotzdem immer noch verweigern kann und, wie er meint, nach deutschem Recht muss.
Deswegen wurden wenigstens im Jahr 2002  durch ein Bundesgesetz alle sogenannten Deserteure rehabilitiert und deren Hinterbliebene durch Anspruch auf eine Rente entschädigt.  Und im Jahre 2009 hob der Bundestag einstimmig auch alle wegen sogenannten „Kriegsverrats“ gefällten NS-Urteile auf.   64 Jahre also hat der Prozess einer historischen Selbstbesinnung und neuen, zukunftsfähigen Bewusstseinsbildung mit happy end gedauert. Doch nicht zu sicher sein! Noch 2007 hat Ministerpräsident Oettinger in seiner Trauerrede zu  Oettingers Tod  Filbinger als „Gegner des Nationalsozialismus“ verherrlicht, woraufhin er von der Bundeskanzlerin dann doch lieber nach Brüssel abgeschoben und so aus dem Verkehr gezogen wurde, freilich nachdem er vorher noch den Finanzierungsvertrag zu S21 und als Nachfolger Mappus geboren hatte. Also: Um mit Brecht zu sprechen, bei allem fortschritt: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ (hier  berichtet nach Wikipedia)

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