Donnerstag, 24. Januar 2013

(3) Zur Lage und Taktik


Zur Lage und Taktik – 3. Teil     Reinhart.Vowinckel@web.de     18.01.2013
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Erinnerung an Teil 1
Einige Repräsentanten unserer Bewegung haben in einem Offenen Brief unter der Schlagzeile „Grüne Spitzenpolitiker müssen und können jetzt S21 stoppen!“  argumentiert, der Verweis auf die Volksabstimmung, die zum Bau von S21 verpflichte, sei „spätestens seit dem 12.Dezember 2012 unglaubwürdig“, also seit dem Kostenoffenbarungseid Kefers. Ich halte einen solchen Appell jedoch zum einen für unrealistisch. Die Landesregierung kann S21 nicht einfach stoppen, zum einen da sie sich an den Finanzierungsvertrag gebunden sieht, der sie knebelt, zum anderen,  da sie auch der Pflicht unterliegt, Kosten möglichst zu vermeiden. Der gesamte Appell geht in seinem Hauptstoß gegen die Grünen am Ziel vorbei. Für den sie knebelnden Finanzierungsvertrag ist neben der CDU und der FDP vor allem die SPD verantwortlich.
Die mangelnde Justierung des Appells geht auch aus der Begründung hervor. Der Verweis der Landesregierung auf die VA ist nicht erst seit der neuen Kostenwahrheitsexplosion nicht mehr „glaubwürdig“. Er war noch nie mehr als eine politische Propagandalüge der gegenwärtigen Regierung  und deswegen für selbstbewusste Demokraten noch nie glaubwürdig.  Auf dieser Tatsache (und keineswegs nur Meinungsäußerung zu beharren ist keineswegs Formalismus oder Paragraphenreiterei. Wie inzwischen auch Dieter Reicherter  in einem an die Regierung gerichteten Schreiben zitierte, hat die Landesabstimmungsleiterin Friedrich  am 13.02.2012 entgegen der Behauptung der Regierung und anderer eindeutig klargestell: „Nachdem die Gesetzesvorlage die nach der Landesverfassung erforderliche Stimmenmehrheit nicht erreicht hat, hat sich insoweit auch keine Änderung der Rechtslage ergeben.“  Die Regierung verbreitet also seit mehr als einem Jahr unwidersprochen die Unwahrheit über eine angebliche Verpflichtung zu S21 durch die VA, und unsere Bewegung lässt sie gewähren. Ich meine, mit der VA hat ein Akt  geistiger und politischer Unterwerfung stattgefunden. Vielleicht geschah das ja in der ehrenwerten Absicht, die Grüne Regierungsriege als  Hoffnungsträger das Gesicht wahren zu lassen. Jemanden das Gesicht wahren zu lassen kann unter Umständen auch durchaus klug sein. Aber auf eines sollten wir in der konkreten Situation von vornherein  stets achten, nämlich darauf, dabei  nicht selbst das Gesicht zu verlieren und als  Gegner unglaubwürdig  und als vermeintliche „Weicheier“ allenfalls wohlwollen belächelt zu werden.
Erinnerung an Teil 2
Im Mittelpunkt von Teil 2 meiner Überlegungen steht deshalb der Finanzierungsvertrag (FV). Seine Bedeutung ist mindestens so groß wie die der VA, wird jedoch in unserer Bewegung teilweise noch  völlig falsch eingeschätzt (s. Carola Eckstein). Deswegen kann es nicht schaden, ihn mal gründlich anzuschauen, dabei besonders auf die §§ 2, Absatz 2 sowie 8, Absatz 4 zu achten und ihn dann  zu diskutieren.
Der Vertrag verspricht erstens der Bahn die betriebliche Wirtschaftlichkeit (§ 2,2) des durchgeführten Projekts. Demgegenüber haben das Land und seine Projektpartner keinen vertraglichen Anspruch auf volkswirtschaftliche, also soziale und verkehrswirtschaftliche  „Wirtschaftlichkeit“. Deswegen sollten unsere Regierungen In Berlin und Stuttgart  durch unsere Propaganda erst einmal dazu veranlasst werden, eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung bei einem unabhängigen Gutachter in Auftrag zu geben und sie auch zu veröffentlichen.
Zweitens schließt der FV die Möglichkeit einer „ordentlichen“ Kündigung z. B. durch die Landesregierung ausdrücklich aus. Trotzdem wurde bei der VA den Bürgern die Möglichkeit einer einfachen Kündigung vorgegaukelt.
Drittens wird ein  Projektabbruch mit „qualifiziertem Abschluss“, also Rückbau, und einer geregelten Kostenverteilung, wie Carola es in ihrem Statement vom 27.12.20012 fälschlich darstellt,  als Option sogar ausdrücklich ausgeschlossen (§ 8, 4). Stattdessen heißt es mehrmals wie z. B. in § 3 Abs. 3: „Ist das Land der Auffassung, dass angezeigte Erhöhungen (der Kosten) nicht durch von der Bahn aufgezeigte Chancen oder Einsparungen ausgeglichen werden können, kann es den Lenkungskreis zur Entscheidung anrufen.“  Das nennt man die „Sprechklausel“ des Vertrags. Dabei sollte klar sein, dass Entscheidungen, weitere Kosten zu tragen, nicht im Lenkungskreis,  getroffen werden könnten, etwa per Mehrheitsentscheidung, sondern nur von den zuständigen Gremien der einzelnen Projektpartner, also Stadt, Land und Region.
Die im Jahre 2009 im Land regierenden Parteien CDU und FDP haben mit Billigung der SPD im Landtag wie im Gemeinderat bewusst und mutwillig einen zumindest in meinen Augen skandalösen finanziellen Knebelungs- und Selbstknebelungsvertrag abgeschlossen, der  m. E. wegen finanzieller Knebelung nachfolgender Parlamente sogar  verfassungswidrig ist. In Wahrheit bindet also nicht, wie zur Verschleierung des Skandalvertrags behauptet, die VA die angeblich idealdemokratische Regierung an den Vertrag und das Projekt, sondern allein der Knebelvertrag, der nun von der SPD zur Erpressung der Grünen benutzt werden kann und zu verantworten ist. Der Vertrag ist ein schwarzes Kuckucksei, das von den Sozialdemokraten in Land und Stadt den Grünen unter dem Deckmantel der „Projektförderungspflicht“  immer noch als Knebel ins Maul gesteckt wird. Deswegen zielt auch der Offene Brief mit der Parole „Grüne Spitzenpolitiker müssen und können jetzt S21 stoppen!“  im Grunde haarscharf daneben.  Adressaten unserer Kritik und Appelle  sollten im Moment vor allem  die rosaroten und dann die schwarzen Spitzenpolitiker bis hin nach Brüssel sein.

Nachfolgend 3. Teil: 
Wo kein Kläger, da auch kein Richter! Wo oben der Mut fehlt, hilft unten Druck.

Inzwischen ist neben Carolas und meiner Einschätzung des Finanzierungsvertrags auch noch ein Gutachten des Esslinger Fachanwalts Arne Maier und der „Juristen zu Stuttgart 21“ in Umlauf. Diese geradezu verführerisch gute Analyse kommt zu folgenden Ergebnissen:
1.        „Die Deutsche Bahn kann das Projekt vertragskonform beenden“(S.1). Dazu beruft sich Arne Maier neben dem BGB vor allem auf das Aktienrecht. „Bereits diese Sprechklausel’ ermöglicht der Deutschen Bahn AG die Beendigung des Projekts auf der Basis der  - auch aktienrechtlich vorgegebenen Wirtschaftlichkeitsmaxime, zumal der Bund, das Land  Baden-Württemberg  und die Stadt es ablehnen, sich an den Mehrkosten zu beteiligen.“ (S. 3)
2.        „Die Beendigung ist für die Deutsche Bahn AG wirtschaftlicher als seine Fortsetzung“ (S.1.). Dazu beruft er sich naheliegender Weise auf den Offenbarungseid  der Bahn:“ Damit steht fest, dass das Projekt für die Deutsche Bahn AG nicht wirtschaftlich ist (S. 2).“
3.        Eine Fortsetzung des Projekts würde den Reputationsschaden der Deutschen Bahn potenzieren“ (S. 1).
4.        „Unklar ist, wie die Kosten, die das Projekt bis zu seiner Beendigung verursacht hat (‚Ausstiegskosten’), zwischen den Projektbeteiligten aufzuteilen ist. Sinnvoller Weise werden die Projektbeteiligten  auch diese Kostenverteilung einvernehmlich regeln. Die Deutsche Bahn AG wird  einen Großteil der Kosten tragen müssen.“ (S.5)
5.         (S.1). „Die Deutsche Bahn wurde von ihrer Führung  in eine Lage gebracht, in der sie nur noch zwischen Pest  (Mehrkosten) und Cholera (Ausstiegskosten) wählen kann. Sie kann und muss die für dieses Dilemma Verantwortlichen ermitteln und ggf. persönlich in Haftung nehmen. Bei einer erfolgreichen Durchsetzung solcher Ersatzansprüche entstehen der Deutschen Bahn AG  entsprechend geringere, möglicherweise gar keine Ausstiegskosten.“ (S. 6) „Die Mitglieder des Aufsichtsrats sollten sich … nicht darauf verlassen, dass ihre etwaige zivilrechtliche Haftung  von ihren Haftpflichtversicherungen abgedeckt ist (S.1)
Der Schwerpunkt des Gutachtens liegt auf der Gefahr für die Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Bahn AG, eventuell haftungs- und auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Der Vorwurf eines Knebelvertrages kommt in ihrem Gutachten – alle möglichen Gesichter schonend und unpolitisch - nicht vor, und das ist okay so. Wie wir hören, konnte das Gutachten immerhin bereits den Aufsichtsrat  ziemlich verstören, und Grube und Co. wird es nicht anders ergangen sein, warum sonst die ganzen Terminverschiebungen. Es hat uns also bereits geholfen. Aber wir sollten auf dem Teppich bleiben. Die Bundesregierung wird mit Hilfe einer Hauptversammlung alles tun, den Bahnvorstand und die Aufsichtsräte von allem Versagen reinzuwaschen, und wenn sie nicht will, dass der Vorstand in Haftung genommen wird, wird das auch nicht geschehen. Wo kein Kläger, da auch kein Richter! Da hilft nur noch Druck von unten. Nur wenn die Regierungen in Berlin und in Stuttgart politisch „in Haftung genommen“ werden, könnte sich etwas ändern. Deswegen könnte eine juristische Expertise zur Frage der persönlichen Haftung auch für die Verantwortlichen in Stuttgart durchaus helfen. Wir haben ein Wahljahr, und Politiker wollen wiedergewählt werden, also keine Flecken in der Jacke haben. Wenn bei dem zu erwartenden weiteren Versagen der Bahn  und der Regierung mit unserer Hilfe schließlich die Medien zum Kläger werden,  wie sie das in Sachen Berliner Flughafen und S21 bereits ein Stück weit geworden sind, dann könnte auch das Volk in Gestalt der Wähler zum Richter werden.. Dazu sollten wir pragmatisch eine angemessene und differenzierte Rang- und Reihenfolge verfolgen:
An erster Stelle die CDU mit ihrem Knebelvertrag, an zweiter Stelle die SPD  als Würger und dann erst die Grünenführer  als Weicheier, die sich gern würgen lassen, wenn sie nur „die Macht“ behalten.
Dazu drei Vorschläge bzw. Forderungen:
  • Veröffentlichung des Gutachtens Urs Kramer zum Antrag der Netz AG (StZ v.17.01.)
  • Volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Berechnung durch unabhängigen Fachmann  
  • Nachvollziehbare Berechnung der Zahlungsverpflichtungen von Land und Stadt bei Beendigung des Projekts
Und dazu vor allem Nils Schmid in den Schwitzkasten, in dem er und Schmiedel bisher Winfried Hermann haben.
Also nicht kopflos, sondern   

Oben bleiben!

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