Zur Lage und Taktik – 3. Teil Reinhart.Vowinckel@web.de 18.01.2013
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Erinnerung an Teil 1
Einige Repräsentanten unserer Bewegung haben in einem Offenen Brief unter der Schlagzeile „Grüne Spitzenpolitiker müssen und können
jetzt S21 stoppen!“ argumentiert,
der Verweis auf die Volksabstimmung, die zum Bau von S21 verpflichte, sei „spätestens seit dem 12.Dezember 2012
unglaubwürdig“, also seit dem Kostenoffenbarungseid Kefers. Ich halte einen solchen Appell jedoch zum
einen für unrealistisch. Die Landesregierung kann S21 nicht einfach stoppen, zum
einen da sie sich an den Finanzierungsvertrag gebunden sieht, der sie knebelt,
zum anderen, da sie auch der Pflicht
unterliegt, Kosten möglichst zu vermeiden.
Der gesamte Appell geht in seinem Hauptstoß gegen die Grünen am Ziel
vorbei. Für den sie knebelnden Finanzierungsvertrag ist neben der CDU und der
FDP vor allem die SPD verantwortlich.
Die mangelnde Justierung des Appells geht auch aus der Begründung
hervor. Der Verweis der Landesregierung auf die VA ist nicht erst seit der
neuen Kostenwahrheitsexplosion nicht mehr „glaubwürdig“. Er war noch nie mehr als eine politische Propagandalüge der
gegenwärtigen Regierung und deswegen für
selbstbewusste Demokraten noch nie
glaubwürdig. Auf dieser Tatsache (und
keineswegs nur Meinungsäußerung zu beharren ist keineswegs Formalismus oder
Paragraphenreiterei. Wie inzwischen auch Dieter Reicherter in einem an die Regierung gerichteten Schreiben
zitierte, hat die Landesabstimmungsleiterin Friedrich am 13.02.2012 entgegen der Behauptung der
Regierung und anderer eindeutig klargestell: „Nachdem die Gesetzesvorlage die nach der Landesverfassung erforderliche
Stimmenmehrheit nicht erreicht hat, hat sich insoweit auch keine Änderung der Rechtslage ergeben.“ Die Regierung verbreitet also seit mehr als
einem Jahr unwidersprochen die Unwahrheit über eine angebliche Verpflichtung zu
S21 durch die VA, und unsere Bewegung
lässt sie gewähren. Ich meine, mit der VA hat ein Akt geistiger und politischer
Unterwerfung stattgefunden. Vielleicht geschah das ja in der ehrenwerten
Absicht, die Grüne Regierungsriege als
Hoffnungsträger das Gesicht wahren zu lassen. Jemanden das Gesicht
wahren zu lassen kann unter Umständen auch durchaus klug sein. Aber auf eines
sollten wir in der konkreten Situation von vornherein stets achten, nämlich darauf, dabei nicht selbst das Gesicht zu verlieren und als
Gegner unglaubwürdig und als vermeintliche „Weicheier“ allenfalls wohlwollen
belächelt zu werden.
Erinnerung an Teil 2
Im Mittelpunkt von Teil 2 meiner Überlegungen steht deshalb der Finanzierungsvertrag (FV). Seine
Bedeutung ist mindestens so groß wie die der VA, wird jedoch in unserer
Bewegung teilweise noch völlig falsch
eingeschätzt (s. Carola Eckstein). Deswegen kann es nicht schaden, ihn mal gründlich
anzuschauen, dabei besonders auf die §§ 2, Absatz 2 sowie 8, Absatz 4 zu achten
und ihn dann zu diskutieren.
Der Vertrag verspricht erstens
der Bahn die betriebliche
Wirtschaftlichkeit (§ 2,2) des durchgeführten Projekts. Demgegenüber haben das
Land und seine Projektpartner keinen vertraglichen Anspruch auf
volkswirtschaftliche, also soziale und verkehrswirtschaftliche „Wirtschaftlichkeit“. Deswegen sollten unsere
Regierungen In Berlin und Stuttgart
durch unsere Propaganda erst einmal dazu veranlasst werden, eine
volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung bei einem unabhängigen Gutachter in
Auftrag zu geben und sie auch zu veröffentlichen.
Zweitens schließt der FV die Möglichkeit einer „ordentlichen“
Kündigung z. B. durch die Landesregierung ausdrücklich aus. Trotzdem wurde bei
der VA den Bürgern die Möglichkeit einer einfachen Kündigung vorgegaukelt.
Drittens wird ein Projektabbruch mit „qualifiziertem Abschluss“,
also Rückbau, und einer geregelten Kostenverteilung, wie Carola es in ihrem
Statement vom 27.12.20012 fälschlich darstellt, als Option sogar ausdrücklich ausgeschlossen
(§ 8, 4). Stattdessen heißt es mehrmals wie z. B. in § 3 Abs. 3: „Ist das Land der Auffassung, dass
angezeigte Erhöhungen (der Kosten) nicht durch von der Bahn aufgezeigte Chancen
oder Einsparungen ausgeglichen werden können, kann es den Lenkungskreis zur
Entscheidung anrufen.“ Das nennt man
die „Sprechklausel“ des Vertrags.
Dabei sollte klar sein, dass Entscheidungen, weitere Kosten zu tragen, nicht im
Lenkungskreis, getroffen werden könnten,
etwa per Mehrheitsentscheidung, sondern nur von den zuständigen Gremien der
einzelnen Projektpartner, also Stadt, Land und Region.
Die im Jahre 2009 im Land regierenden Parteien CDU und FDP haben mit
Billigung der SPD im Landtag wie im Gemeinderat bewusst und mutwillig einen
zumindest in meinen Augen skandalösen finanziellen Knebelungs- und Selbstknebelungsvertrag
abgeschlossen, der m. E. wegen
finanzieller Knebelung nachfolgender Parlamente sogar verfassungswidrig ist. In Wahrheit bindet also
nicht, wie zur Verschleierung des Skandalvertrags behauptet, die VA die angeblich
idealdemokratische Regierung an den Vertrag und das Projekt, sondern allein der
Knebelvertrag, der nun von der SPD zur Erpressung der Grünen benutzt werden
kann und zu verantworten ist. Der
Vertrag ist ein schwarzes Kuckucksei, das von den Sozialdemokraten in Land und
Stadt den Grünen unter dem Deckmantel der „Projektförderungspflicht“ immer
noch als Knebel ins Maul gesteckt wird. Deswegen zielt auch der Offene
Brief mit der Parole „Grüne
Spitzenpolitiker müssen und können jetzt S21 stoppen!“ im Grunde haarscharf daneben. Adressaten unserer Kritik und Appelle sollten im Moment vor allem die rosaroten und dann die schwarzen Spitzenpolitiker
bis hin nach Brüssel sein.
Nachfolgend 3. Teil:
Wo kein Kläger, da auch kein Richter! Wo oben der Mut fehlt, hilft unten
Druck.
Inzwischen ist neben Carolas und
meiner Einschätzung des Finanzierungsvertrags auch noch ein Gutachten des Esslinger
Fachanwalts Arne Maier und der „Juristen zu Stuttgart 21“ in Umlauf. Diese
geradezu verführerisch gute Analyse kommt zu folgenden Ergebnissen:
1.
„Die Deutsche
Bahn kann das Projekt vertragskonform beenden“(S.1). Dazu beruft sich Arne Maier neben dem BGB vor
allem auf das Aktienrecht. „Bereits diese
‚Sprechklausel’ ermöglicht der Deutschen Bahn AG die Beendigung des
Projekts auf der Basis der - auch
aktienrechtlich vorgegebenen Wirtschaftlichkeitsmaxime, zumal der Bund, das
Land Baden-Württemberg und die Stadt es ablehnen, sich an den
Mehrkosten zu beteiligen.“ (S. 3)
2.
„Die
Beendigung ist für die Deutsche Bahn AG wirtschaftlicher als seine Fortsetzung“ (S.1.). Dazu beruft er sich naheliegender Weise auf
den Offenbarungseid der Bahn:“ Damit
steht fest, dass das Projekt für die Deutsche Bahn AG nicht wirtschaftlich ist
(S. 2).“
3.
„Eine
Fortsetzung des Projekts würde den Reputationsschaden der Deutschen Bahn
potenzieren“ (S. 1).
4.
„Unklar ist, wie
die Kosten, die das Projekt bis zu seiner Beendigung verursacht hat
(‚Ausstiegskosten’), zwischen den Projektbeteiligten aufzuteilen ist.
Sinnvoller Weise werden die Projektbeteiligten
auch diese Kostenverteilung einvernehmlich
regeln. Die Deutsche Bahn AG wird einen Großteil der Kosten tragen müssen.“ (S.5)
5.
(S.1). „Die Deutsche Bahn wurde von ihrer
Führung in eine Lage gebracht, in der
sie nur noch zwischen Pest (Mehrkosten)
und Cholera (Ausstiegskosten) wählen kann. Sie kann und muss die für dieses Dilemma Verantwortlichen ermitteln und ggf.
persönlich in Haftung nehmen. Bei einer erfolgreichen Durchsetzung solcher
Ersatzansprüche entstehen der Deutschen Bahn AG entsprechend geringere, möglicherweise gar
keine Ausstiegskosten.“ (S. 6) „Die Mitglieder des Aufsichtsrats sollten
sich … nicht darauf verlassen, dass ihre etwaige zivilrechtliche Haftung von ihren Haftpflichtversicherungen abgedeckt
ist (S.1)“
Der Schwerpunkt des Gutachtens liegt
auf der Gefahr für die Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Bahn AG, eventuell
haftungs- und auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Der
Vorwurf eines Knebelvertrages kommt in ihrem Gutachten – alle möglichen
Gesichter schonend und unpolitisch - nicht vor, und das ist okay so. Wie wir
hören, konnte das Gutachten immerhin bereits den Aufsichtsrat ziemlich verstören, und Grube und Co. wird es
nicht anders ergangen sein, warum sonst die ganzen Terminverschiebungen. Es hat
uns also bereits geholfen. Aber wir sollten auf dem Teppich bleiben. Die Bundesregierung
wird mit Hilfe einer Hauptversammlung alles tun, den Bahnvorstand und die
Aufsichtsräte von allem Versagen reinzuwaschen, und wenn sie nicht will, dass
der Vorstand in Haftung genommen wird, wird das auch nicht geschehen. Wo kein Kläger, da auch kein Richter! Da
hilft nur noch Druck von unten. Nur wenn die Regierungen in Berlin und in
Stuttgart politisch „in Haftung genommen“ werden, könnte sich etwas ändern.
Deswegen könnte eine juristische Expertise
zur Frage der persönlichen Haftung auch für die Verantwortlichen in Stuttgart
durchaus helfen. Wir haben ein Wahljahr, und Politiker wollen wiedergewählt
werden, also keine Flecken in der Jacke haben. Wenn bei dem zu erwartenden
weiteren Versagen der Bahn und der
Regierung mit unserer Hilfe schließlich die Medien zum Kläger werden, wie sie das in Sachen Berliner Flughafen und
S21 bereits ein Stück weit geworden sind, dann könnte auch das Volk in Gestalt
der Wähler zum Richter werden.. Dazu sollten wir pragmatisch eine angemessene und differenzierte Rang- und
Reihenfolge verfolgen:
An erster Stelle die CDU mit ihrem Knebelvertrag, an zweiter
Stelle die SPD als Würger und dann erst die Grünenführer als Weicheier, die sich gern würgen
lassen, wenn sie nur „die Macht“ behalten.
Dazu drei Vorschläge bzw.
Forderungen:
- Veröffentlichung des Gutachtens Urs Kramer zum Antrag der Netz AG (StZ v.17.01.)
- Volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Berechnung durch unabhängigen Fachmann
- Nachvollziehbare Berechnung der Zahlungsverpflichtungen von Land und Stadt bei Beendigung des Projekts
Und dazu vor allem Nils Schmid in den Schwitzkasten, in
dem er und Schmiedel bisher Winfried Hermann haben.
Also nicht kopflos, sondern
Oben bleiben!
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