Zur Lage und Taktik 9.2 12.
Juni 2013
(Vorweg
eine Anmerkung zu meinem Vergleich in
9.1 zwischen der Petition des Landtags an die Deutsche Bahn und dem Vater
unser, der missverstanden werden könnte: Die Bittschrift des Landtags hat mich
an das würdige Gebet erinnert. Die Deutsche Bahn ist jedoch keine überirdische
Macht, deren Willen wir ausgeliefert sind. Wir können uns ihr allenfalls aus
mangelndem Mut ausliefern, und das hat der Landtag mit dem Blankoscheck in
unserem Namen meines Erachtens unnötiger Weise getan.)
Zur Rolle
Schmiedels und der SPD
Es gibt, wie die Dinge bisher nun
einmal gelaufen sind, im Grunde keine
verbindliche vertragliche Regelung mehr für die Finanzierung von Stuttgart 21. Wichtige
Pflichten oder Rechte wurden im Finanzierungsvertrag
mit dem Zweck der Kostenverschleierung nicht klar definiert, sondern nur
angedeutet. Auch die sogenannte Projektförderpflicht (FinV. § 16) ist längst
ein totgerittenes Pferd, da auch sie im Vertrag nicht definiert und außerdem inzwischen
von beiden Seiten (von der Bahn durch „Kostenexplosionen, vom Land z. B. durch
den Kostendeckel oder auch die Volksabstimmung) ignoriert wurde, ohne dass sich
die jeweils andere Seite dagegen zur Wehr gesetzt hätte, wohl wegen des juristisch
dilettantisch gemachten Vertrags. Deswegen wird über S21 machtpolitisch
entschieden werden. Das Zünglein an der Waage ist dabei die SPD, die den
schmutzigen Job der CDU übernommen hat. Nachdem mit dem Faktenscheck im Herbst
des Jahres 2010 der Blankoscheckcharakter des Vertrags ruchbar geworden war, bekennt sich die SPD zum Projekt, ohne sich
zum Vertrag zu bekennen. Die SPD hat erkannt, dass ein höherer als der im
Vertrag vereinbarte Preis nicht öffentlich vertretbar ist und allenfalls
heimlich oder doch wenigstens unauffällig, z. B. häppchenweise über 10 bis 15 Jahre verteilt
gezahlt werden könnte. Zur
Veranschaulichung der Politik der SPD ein trauriges aktuelles Beispiel.
Der Geisterfahrer, der alle anderen auf
der falschen Spur wähnt
Am Vorabend der Sitzung des
Bahnaufsichtsrats vom 05. März 2013 unterbreitet MP Kretschmann dem
stellvertretenden Bahnaufsichtsratsvorsitzenden Alexander Kirchner schriftlich
ein Angebot zu „konstruktiven Gesprächen über Alternativen zu Stuttgart 21“.
Ein mutiger Schritt nach vorn, falls nicht wieder nur taktisches Manöver.
Prompt tobt Staatsmann Schmiedel, das sei ein „beispielloser Affront“ Kretschmanns gegenüber dem Koalitionspartner
SPD. Der grüne Ministerpräsident habe zu einer solchen Einladung „keine Vollmacht“. „Koalitionskonsens sei
schließlich: Die Volksabstimmung gilt, der Bahnhof wird gebaut.“ Was er zu erwähnen „vergisst“: Der Bahnhof
kann wohl nur seriös gebaut werden, wenn er auch seriös finanziert ist. (Süddeutsche am 03.2013 unter der Überschrift „Kalkulierte
Wut im schwäbischen Dramolett“)
Um den weiter denkenden
Koalitionspartner nicht am Reden, sondern auch am Nachdenken zu hindern, setzt
er noch eins drauf: „Sollte der Aufsichtsrat sich von S21 verabschieden wollen, würde die
SPD zusammen mit der Opposition ‚die Landesregierung beauftragen, die Deutsche
Bahn auf Vertragserfüllung zu verklagen’“. Bevor ich auf diese angebliche
Pflicht der Bahn zurückkomme, etwas zu den Umgangsformen des Claus Schmiedel: Er
verpasst dem amtierenden Ministerpräsidenten und Chef des Koalitionspartners in
aller Öffentlichkeit einen Maulkorb. Dann
beklagt sich über dessen angeblich „beispiellosen
Affront“ und droht ihm in einem eigenen nun wirklich „beispiellosen Affront“ darüber hinaus größenwahnsinnig die Erpressung
und Kündigung der Koalition mit Hilfe
der CDU an, die vermeintlich auch nach seiner Pfeife zu tanzen hat. Die
Wochenzeitung KONTEXT formulierte neulich treffend, Schmiedel sei ein „Geisterfahrer,
der alle anderen auf der falschen Spur wähnt“. So hat er ja auch gerade
erst die Bahn der „Fundamentalopposition“ bezichtigt, wie die Grünen, weil sie
ihm die Sprechklausel nicht verkaufen wollte. Schmiedel ist koalitionsunfähig. Nicht
einmal mit der Bahn kann er es, und so einer führt das Land am Nasenring! Was ist das für ein Land? SOS!
Die Volksabstimmung und die Mehrkosten
Ein Beispiel juristischer und
politischer Orientierungslosigkeit ist auch die Volksabstimmung, mit deren
Hilfe die Verantwortung für den Finanzierungsvertrag den Bürgern aufgehalst
wurde. In ihrer Begründung durch die Regierung hieß es zunächst vollkommen
richtig:
„Wenn aber weder das Land noch Deutsche Bahn AG bereit sind, die zu
erwartenden Mehrkosten zu tragen, ist die Finanzierung des Vorhabens und damit
seine Realisierbarkeit nicht mehr gewährleistet. Dies führt dazu, dass die
Geschäftsgrundlage entfallen ist. Vom Land kann ein Festhalten an dem Finanzierungsvertrag
nicht mehr verlangt werden… Das Land kann nicht weitreichende
Baumaßnahmen abwarten, um dann nach dem Prinzip der normativen Kraft des
Faktischen in eine unabschätzbare Kostendynamik eingebunden zu werden
(S.15)“
Genau das geschieht zurzeit: Dank
SPD und Koalitionsvertrag darf die Bahn die Baumaßnahmen fortsetzen und dabei auf
den Blankoscheck der Regierung Oettinger bauen. Und so waltet die
„unabschätzbare Kostendynamik“.
Dann aber heißt in der Begründung
fataler Weise auch:
„Der Anspruch des Landes richtet sich auf eine Anpassung des Vertrages
dahingehend, dass weitere
Kostensteigerungen über die verabredete Obergrenze von 4,526 Mrd. Euro
hinaus in vollem Umfang von der
Deutschen Bahn AG zu finanzieren sind.“
Mit dieser Forderung hat sich die
Landesregierung jedoch, zweifellos auch
das unter Führung der SPD, ins Unrecht gesetzt, juristisch und moralisch-politisch.
Diese Forderung widerspricht dem von der SPD, wenn’s passt, doch so hoch gehaltenen
Vertrag diametral. Zwischen Mehdorn und Oettinger bestand unübersehbar
Einigkeit darüber (§ 2,2), dass das Projektrisiko nicht von der Bahn getragen
werden sollte, und die SPD hat der verschleierten
Vereinbarung, dass das Land mit Stadt und Region das Kostenrisiko tragen
sollte, zugestimmt! Sonst hätte es
auch des „Vaterunsers“ an die Bahn nicht bedurft. Aber ganz abgesehen davon:
Mit welchem Recht fordert nun das Land Baden-Württemberg, vertreten durch die
SPD, halsstarrig von anderen Bundesländern oder dem Bund, dass
sie in Form weiterer Staatsverschuldung oder auch für ihre Bürger angehobener
Bahntarife den Kopf hinhalten für die von den schwäbischen Alleskönnern
vergeigte Finanzierung ihres unterirrdischen Lustschlosses? Wenn sie die Bahn auf Vertragserfüllung verklagen
will, dann verlangt sie damit auch, dass wir die Mehrkosten tragen. Nur zu! Auf
zur nächsten Geisterfahrt, SPD! Von Bund und Bahn bekommen wir die Finanzierung
sicherlich nicht geschenkt. Wenn die SPD
in dieser Situation weiter am Projekt festhält, dann geht sie für die reichste Region
der Republik auf Betteltour oder sie verrät den Kostendeckel. Eine Klage
vor Gericht würde nur dann nur noch Sinn machen, wenn sie selbst auf die eigene
Niederlage, also die Verpflichtung des Landes zur Kostenträgerschaft hinauswollte.
Dann bekäme sie vielleicht ihr Projekt und seine Finanzierung und wäre die
Verantwortung für die Finanzierung der Mehrkosten durch das Land los. Die trüge
dann die Justiz. Könnte die SPD so etwas vorhaben?
Ehrlich und rechtschaffen wäre
allein das zumindest stillschweigende Eingeständnis der eigenen Verantwortung
für das Fehlen der Finanzierung und die Bereitschaft, das nun einmal zu teure Projekt
aufzugeben. Dann könnte man die bisher und
durch den Rückbau entstandenen Kosten
zwischen Bahn, Land und Stadt, wie im Finanzierungsvertrag
(§ 2,2) ursprünglich vorgesehen, zum Beispiel im Verhältnis von 6 zu 4
aufzuteilen.
Und sollte die Beerdigung des
Projekts Stadt und Land wirklich 1,5 Mrd. € kosten: Die Parole der
Projektbetreiber vor der Volksabstimmung „1,5
Milliarden für nichts!“ war das Dümmste und Verlogenste, was ich je gehört
habe. Schließlich behalten wir dann den Kopfbahnhof, und der und sein Ambiente sind
nun einmal mehr Wert als 1,5 Milliarden €!
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